Systemmedizin

Gegenwärtig erfolgt die Diagnose von Krebserkrankungen weitgehend auf Grund von histologischen Eigenschaften. Allerdings können Krebspatienten mit derselben histopathologischen Diagnose einen sehr unterschiedlichen Krankheitsverlauf zeigen. Genomische Information reicht oft alleine für einen Prognose oder Therapie-Entscheidung nicht aus, da im Kontext einer Grunderkrankung unterschiedliche Veränderungen im Genom beobachtet werden können. Daher ist eine Untersuchung von Proteinen, die über die wenigen Antigene, die aktuell für die histopathologische Diagnosestellung genutzt werden, hinausgeht, höchst relevant. Für die Vorhersage von Krankheitsverläufen und um Therapie-Entscheidungen basierend auf individuellen Risikoprofilen treffen zu können, ist eine Analyse von weiteren Biomolekülen, wie zum Beispiel Proteine und Metabolite, hilfreich. Für die Entwicklung von klinisch nutzbaren molekularen Biomarkermustern wird ein systemmedizinischer Ansatz benötigt, der nur durch die Integration von klinischer, technologischer und computergestützter Expertise und Bündelung von Ressourcen erreicht werden kann. Dies beinhaltet eine Vielzahl an technischen und logistischen Herausforderungen, da eine Vielzahl von Kriterien gleichzeitig erfüllt werden müssen:

  • die Verfügbarkeit einer signifikanten Anzahl an ausreichend annotierten, klinischen Proben, die definierte klinische Einschlusskriterien erfüllen und mittels standardisierter Arbeitsabläufe gesammelt wurden,
  • die Etablierung standardisierter Methoden zur Probenvorbereitung und für massenspektrometrische Arbeitsabläufe, um robuste Proteom- und Metabolomanalysen sicherzustellen,
  • Entwicklung einer passgenauen IT Infrastruktur, die Datenintegration und die Entwicklung von prädiktiven mathematischen Modellen unterstützt,
  • das Vorhandensein von Möglichkeiten, eine klinische Validierung und Implementierung durchzuführen und
  • ein wissenschaftliches Umfeld, das die Integration der genannten Voraussetzungen erleichtert und ermöglicht.

Durch die Bearbeitung der folgenden, spezifischen Ziele adressiert SMART-CARE diese Herausforderungen:

1. Etablierung einer standardisierten, massenspektrometrischen Pipeline für systemmedizinische Untersuchungen, die klinische Probenentnahme, Proteom- und Metabolomanalyse, und Datenintegration kombiniert, um informative Profile von molekularen Biomarkern zu generieren.
2. Anwendung der etablierten Pipeline, um systemmedizinische Fragestellungen zu adressieren und prädiktive Modelle zur Vorhersage des Rückfalls von Krebserkrankungen basierend auf klinischen, proteomischen und metabolomischen Daten zu entwickeln.

Damit verfolgt SMART-CARE die Entwicklung eines systemmedizinischen Ansatzes zur Integration proteomischer und metabolomischer Analysen von Krebspatientenproben, bioinformatischer Analysen, und mathematischer Modelle bis hin zu einer möglichen klinischen Anwendung. Durch den Vergleich der proteomischen und metabolomischen Profile von Krebspatienten der verschiedenen untersuchten Krebserkrankungen sollen gemeinsame und krankheitsspezifische Biomarkermuster für Tumorrezidive etabliert werden. Des Weiteren sollen durch die Integration genomischer Information z.B. durch Gesamtgenomsequenzierung oder Transkriptomanalysen und entsprechender klinischer Parameter besonders umfassende Datensätze „Big Data“ erstellt werden und Informationen über eine Assoziation von metabolomischen und proteomischen Profilen mit dem Krankheitsverlauf erhalten werden.
Um dies zu erreichen, arbeiten in SMART-CARE international anerkannte Mediziner, Massenspektrometriker, Theoretiker und Datenwissenschaftler des biomedizinischen Campus in Heidelberg zusammen und schaffen damit die Voraussetzung für einen effektiven systemmedizinischen Ansatz. Der Einsatz von Arbeitsweisen der künstlichen Intelligenz erlaubt es, mittels maschinellem Lernen Biomarkermuster zu identifizieren und somit zu einer deutlichen Fortentwicklung von Diagnosemethoden in Richtung digitale Pathologie beizutragen. Durch die Kombination der molekularen Biomarkermuster mit prädiktiven mathematischen Modellen wird es möglich, am Beispiel Tumorrezidiv die Vorhersage des Therapieerfolgs zu verbessern.